Harthbasel

9. April 2010

14×7+2

Filed under: — klaus @ 17:25

vierzehnmalsiebenpluszwei ist gleich 100, wird der findige mathematiker sogleich errechnen. und wir sagen dazu: das stimmt. denn genauso haben wir uns das ausgedacht. damals im jahr 1997. denn parallel zur dokumenta X, die ja, ob jetzt X oder 9 oder 5 oder wieauchimmer genau  heisst, einhundert tage dauert, fand unsere ausstellung im schlossgartencafé in darmstadt statt. wir, das sind stephan flommersfeld und ich. wir haben damals die bertreiberin des cafés, monika laaber, dazu überreden können, jede woche von uns einen brief zu erhalten. in dem brief befand sich für jeden tag der kommenden woche eine arbeit: eine zeichnung, ein ausdruck, was auch immer. vorher hatten wir im café holzlatten montiert, an die man diese arbeiten gegebenenfalls anpinnen konnte. monika hatte nun freie hand. sie konnte von woche zu woche den brief öffnen, ihn aber auch verschlossen halten, die arbeiten ansehen, sich welche aussuchen, diese dann aufhängen, ganz nach ihrer eigenen vorstellung. oder es aber auch komplett sein lassen. ab und an ließen wir uns dann sonntagmorgens zum frühstück im café blicken, um zu gucken, wie sich die sache entwickelt. was sehr interessant war. mit dem ein oder anderen sonntagmorgenbesucher kam man ins gespräch, die ein oder andere hinterließ eine bemerkung in dem ausliegenden skizzenbuch (es hätten auch zeichnungen sein dürfen, stifte etc. lagen bereit) und für das stammpublikum gab es eine ausstellung, die stets in bewegung war. zur finissage gab es eine aufführung unseres ersten, und kurz vorher in mainz uraufgeführten programmes: 10 stücke für und gegen andy warhol.

 

Exkurs: 10 Stücke für und gegen Andy Warhol:

Das Volkstheater in Mainz unter der Leitung von Frau Magda Brandsdoerfer gibt Stephan Flommersfeld und Klaus Harth 1996 die Möglichkeit eines ersten gemeinsamen Auftrittes. Aufgeführt werden die „10 Stücke für und gegen Andy Warhol“. (Uraufführung ebd. am 21.6.1997)

Eine lockere Folge von 10 Sprechstücken kombiniert mit Klarinetten- und sonstigen Geräuschen.
Im Gegensatz zu der zweiten Aufführung der Stücke zur Finissage der Ausstellung „14×7+2“ in Darmstadt, spielt Klaus Harth im Volkstheater zum ersten und bisher einzigen Mal öffentlich Klavier.
Frau Magda Brandsdoerfer haben wir auch sonst viel zu verdanken. Ihre engagierte Arbeit in der Stadt Mainz mit Volkstheater und Maskenbildnerschule wird von Stadt und Land viel zu wenig gewürdigt.
Texte: Stephan Flommersfeld (mit Ausnahme: ein Männlein steht im Walde)
Klarinetten und Geräusche: Klaus Harth
 
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Intro
Ein Männlein steht im Walde
ganz still und stumm
es hat von lauter Purpur
ein Mäntlein um
Sag‘, wer mag das Männlein sein
das da steht
im Wald
allein?
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es regnet
es regnet
es regnet
esregnetesregnetesregnetesregnetes
es blättert
es blättert
esblättertesblättertesblättertsesblättertes
es stieß sich am kopf
und konnte am morgen
nicht aufsteh’n
.
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die königskinder
es waren zwei königskinder
die waren ineinander
zueinander
inniglich
tief
immer tiefer
das wasser
zwischen
um über hinüber
trunk
ertrank
in ihren armen ruhte
küß den mund
mantel hüllt
darin verloren
.
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BHbra
BH
bra
BH
bra
uplift
push up
uplift
push up
BH
bra
BG
bra
wonder
wonder
slip
slip
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die geburt seiner frau
Über die Geburt seiner Frau freute er sich wahnsinnig.
Endlich! Er hatte so lange auf sie gewartet.
Der Presse gegenüber äußerte der glückliche Vater:
„Sie hat aus mir einen anderen Menschen gemacht.“
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der kleine Vinci
Paris, 16. März 1997
Der Louvre gab stern bekannt, daß es Kunsthistorikern in Zusammenarbeit mit Genforschern gelungen ist, aus einem
pinselhaar,
das im linken Mundwinkel der Mona Lisa gefunden wurde, einen
Jungen zu klonen.
Der kleine
Vinci
wuchs bislang völlig unbemerkt in einem oberitalienischen Bergdorf bei Adoptiveltern auf.
Nun nimmt die ganze Welt Anteil. Jede Zeichnung Vincis wird enthusiastisch begrüßt.
Leider konnte er sich bislang kaum verständlich machen.
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(musikalische Improvisation mit Übergang zu „guter mond“ ).
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der mond ist aufgegangen
die güldnen sternlein prangen
am himmel
hell und klar
der wald steht
schwarz und schweiget
und aus den wiesen steiget
der weiße nebel
w u n d e r b a r
wie ist die welt so stille
und in der dämmrung hülle
so traulich
und so hold
als eine stille kammer
wo ihr des tages jammer
verschlafen und vergessen sollt.
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(das Groß-Geschriebene wird gebrüllt,das Klein-Geschriebene normal gesprochen, ersteres mit Klarinettenbegleitung, letzteres ohne).
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Vinci 2
Zu Schwester Monika entwickelte ich eine besondere Beziehung.
Ich wartete geduldig auf den Beginn des Morgens, darauf, dass sie mich berühren möge.
Einmal brachte sie mir ein weißes Blatt Papier und einen Stift. Sie sagte: „Lalalalala“, dund deutete auf meinen Mund, dann auf das Blatt. Bald darauf ging sie und überließ mich meiner Neugierde.
Ich zog erste zaghafte Striche.
Ich dachte dabei an Flugobjekte.
Dicke Hummeln.
Bald aber merkte ich, daß mir das Zeichnen leichter fiel, wenn ich an gar nichts dachte. Der Stift bewegt sich dann fast von ganz alleine.
Als die Schwester die Ergebnisse sah, rief sie: „Mein Gott, Sie schreiben russisch!“ Sie lief aus dem Zimmer und kam mit zwei Ärzten zurück. Sie schauten sich die Buchstaben auf dem Papier an und schüttelten den Kopf.
Ich wußte nicht, was das zu bedeuten hatte.
„Alles wird wieder gut“, sagte sie. „Alles wird gut.“
Sie weinte.
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.die blume
mir wächst eine blume aus dem mund
ich wage kaum
zu sprechen
ganz fixiert
bin ich
auf dieses wunder
unglaublich
ein zeichen
das bedeutet etwas
….
meine freundin sagt:
nimm endlich die blume aus dem mund
aber siehst du nicht?
sie wächst
.
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.(es erklingt die Meldoie von „Don’t cry for me Argentina“ )
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am ostermorgen
Mit geschlossenen Augen
und ungeheurer Intensität in der brüchigen Stimme
singt Papst Johannes Paul II.
am Ostermorgen
vor hunderten von ungläubig Staunenden und laufenden Kameras:
„Don’t cry for me, Argentina.“
Zur Stunde ist noch unklar, was den Papst dazu bewogen hat.
Nach der Übertragung sind die Argentinier in eine Euphorie verfallen.
Auf den Straßen von Buenos Aires umarmen sich wildfremde Menschen und küssen sich.
Die Zeitungen berichten von einem Stimmwunder .
Ein Plattenvertrag winkt.
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lose wörter
(zu einer stakkatoartig gespielten einfachen Tonfolge werden folgende Wörter intoniert):
arabien
konkret
rumtopf
ueblich
immerzu
spontan
neigung
heizgas
dentist
bereich
lamento
frische
whiskey
opulent
eminent
julchen
toenung
vitrine
giftgas
quartal
caritas
packung
muehsal
Je höher der Rang, je härter der Zwang.
oder:
In Komplimenten ist Schmeichelei höflich.
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(es erklingt eine bedrohliche Tonfolge aus Klavier oder Klarinette)
Bob Haley
Unheimlich, was sich da am Himmel zusammenbraut.
Sonne, Erde und Mars –
sie stehen aufgereiht wie eine Perlenkette.
Die Locke Bob Haleys wurde als Sternbild an den Himmel versetzt.
Manager tauschen unsichtbare Visitenkarten.
Die Pigmentierung der Haut ändert sich.
Unheimlich, was sich da am Himmel zusammenbraut.
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.das Pferd
ich spreche kleine, alltägliche sätze
leise für mich hin
ich spreche kleine, einfältige sätze
leise für mich hin
ich spreche kleine, alltägliche, geringe sätze
immerfort für mich hin
ich bin ein pferd
und sitze niemandem auf dem schoß
es sitzt mir niemand auf dem schoß
denn ich bin ein pferd
mein abteil ist überfüllt
niemand sitzt mir auf dem schoß
ich sitze niemandem auf dem schoß
denn ich bin ein pferd
ich spreche kleine, alltägliche sätze
leide für mich hin
ich spreche kleine, einfältige sätze
leise für mich hin
immerfort für mich hin

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