„Ceci n´est pas une voiture – Collagen“
Die Arbeiten René Magrittes sind hinlänglich bekannt: Durch unzählige Abbildungen künstlerisches Allgemeingut auch in Kreisen, in denen sich nicht nurKunstexpertinnen und -experten tummeln. Selbst Volker Lechtenbrink sang in
den späten Siebzigern in einem Schlager: „…ich mag Bilder von Magritte…“
Die Collagen zu „Ceci n´est pas une voiture“ kombinieren nun Abbildungen einiger dieser Gemälde mit Elementen aus aktuellem Print-Werbematerial für SUVs im Premiummarkensektor.
Albert Herbig nimmt als Basismaterial für seine Collagen folgerichtig einen Werkkatalog eines auf Kunstbände spezialisierten Verlages, der sein Geld genau damit verdient, Kunst in wohlfeilen Ausgaben unter`s Volk zu bringen.
Im Allgemeinen betrachtet man René Magritte immer als einen Surrealisten, wenn es etwas präziser werden soll, als einen Surrealisten belgischer Ausprägung. Versucht man sich heute seinem Werk zu nähern, abseits der vielen
Reproduktionen, die es davon gibt, was immer zu einer Profanisierung, fast möchte man meinen, einer Säkularisierung führt, dann zeichnet ihn vor allem ein gewisser Schwerpunkt in der Kombination unterschiedlicher Bildelemente, unterschiedlicher Begrifflichkeiten und Vorstellungen von Dingen aus, was – fast logischerweise – auch zu einer Einbindung von sprachlichen Elementen führt. Neben direkt in den Bildern eingeschriebenen Begriffen, die mit dem Abgebildeten kollidieren, stellen vor allem aber die Bildtitel einen festen Bestandteil der Arbeiten dar.
Man muss also beim Betrachten seinen Verstand scharf stellen. Man springt zwischen Begriffen und Bildern hin und her, und aus dem Aufeinandertreffen ebendieser springen Funken in die eigene Vorstellungswelt. Diese Bilder verknüpfen Dinge in den Köpfen der Betrachter, von denen diese Köpfe bisher vielleicht gar nicht wussten, dass sie in ihnen existieren. Es scheint bei Magritte weniger um Bilder als um Vorstellungen zu gehen. Man kann sich, wenn man so will, selbst beim Denken zusehen.
Anders aber als etwa in einer Collage fügt Magritte diese unterschiedlichen Elemente auf einer einzigen Ebene malerisch zusammen. Es entsteht kein Gegen- und Über-, sondern ein bildnerisches Neben- und Miteinander. Die klassische Collage dagegen, wie der Name schon sagt, klebt die Dinge zusammen, die Kanten sind sichtbar, es entsteht keine einheitliche Welt, Brüche bleiben, es gibt ein Darunter und Darüber. Es ist dabei also interessant und wichtig, was man miteinander kombiniert. Und den Erfindern der Collage, Braque und Picasso, wird zugeschrieben, dass sie es spannend fanden, etwas Unverändertes, aus dem richtigen Leben Herausgerissenes, Unverarbeitetes in ihre Bilder einzukleben.
Das geschieht nun auch hier: Neben die säkularisierten, tausendmal gesehenen Abbildungen der Magritt‘schen Gemälde samt ihren Bildtiteln (die man meist allerdings nicht wahrnimmt!) treten Figuren und Szenerien aus Werbeprospekten von SUV-Herstellern: Material aus dem wirklichen Alltag. Gefährliches Material zudem: Hier sollen keine Gedanken, Begriffe und Vorstellungen Funken schlagen, hier soll Lebensgefühl geschaffen und sollen Autos verkauft werden. Verlogen und folgerichtig. Es gibt kein richtiges Leben im falschen Auto. Die Prospekte allerdings sagen: Es gibt nur Leben mit diesem Auto.
Magritte kombiniert, bei aller bildnerischen und begrifflichen Überraschung, immer Bilder aus einer einzigen Wahrnehmungswelt: Da regnen mal Männer mit Hüten herab, wir kennen aber sowohl Männer mit Hüten und Regen und Häuser – das alles gehört zu einer Wahrnehmungswelt, wird nur anders zusammengesetzt. Bei der hier vorliegenden Kombination von Kunstbandabbildungen und Werbematerial werden dagegen zwei sehr unterschiedliche Welten miteinander kombiniert, nämlich eine hochgradig zielgerichtete Bildsprache (nicht umsonst
heißt das ja Kommunikations-Design) mit einer, wenn auch – wie hier im Falle Magrittes – durch unzählige Abbildungen abgenutzten Bildsprache.
Das Spannende, was nun in Albert Herbigs Collagen passiert: Die neu zusammengesetzten Bildelemente, die Originaltitel Magrittes verwendend, also eine „hohe“ Bildtitel-Sprache, die der Werbetexterei diametral entgegensteht, beleuchten sich nun gegenseitig. Zum Beispiel in dem Blatt „Die verbotene Reproduktion“: Hier wird Magrittes Original auf raffinierte Art ergänzt und gekontert, so dass sich die ursprüngliche Figur in einer Werbefigur doppelt, was so feinfühlig gemacht ist, dass man es vielleicht sogar erst beim zweiten Blick bemerkt. Allerdings verhält sich die Werbefigur anders als die Figur im Originalbild. Im Hintergrund der SUV. Und hier kommt dann der Titel ins Spiel, den ich wiederholt lese, und zu dem neu Arrangierten in Bezug setze und mich vielleicht parallel dazu an das Original erinnert, was wiederum dazu führt, dass ideale Welt und Werbewelt sich gleichzeitig auf`s Engste verbinden und auf`s Heftigste aufeinanderprallen.
Passt und passt nicht.
Dieses „Passt-und-passt-nicht“ ist der Clou der ganzen Serie:
Ich rufe mir Magrittes Original ins Gedächtnis und vermag ihn wieder frisch und neu zu entdecken (und allein das wäre schon eine Leistung!). Und gleichzeitig sehe ich, wie verlogen die Ikonografie des Kommunikations-Designs arbeitet: Keine der in die Kunstwelt transferierten Figuren vermag sich hier zurechtzufinden, keine vermag die Bedeutung zu tragen, die man ihr zumutet. Und kein Auto ist so spannend wie ein Fisch mit zwei Beinen.
Die Banalität der Werbeikonografie vorzuführen wäre allein natürlich kein Meilenstein der Erkenntnis, aber:
Wie sich durch diesen einfachen Kunstgriff auch kleinste Details mit Bedeutung aufladen, sich Bedeutungen verschieben, ich als Betrachter Spaß bekomme an der Entdeckung und Umdeutung dieser Details, das macht Freude beim Betrachten dieser Collagen und gibt mir ein wenig Autonomie zurück beim Ausgeliefertsein an Werbebotschaften und dem von ihnen geprägten Alltag. Auto(!)nomie!