Harthbasel

3. Juni 2024

der kaiser von atlantis

Filed under: — klaus @ 22:01

 

 

 

 

 

 

 

 

„Der Kaiser von Atlantis“, eine Kammeroper aus Theresienstadt von Viktor Ullmann

Stell Dir vor, es ist Krieg und der Tod geht nicht hin…! – Erschreckend aktuell, befiehlt der Herrscher einen „Krieg aller gegen alle“ in Viktor Ullmanns utopischer Kammeroper „Der Kaiser von Atlantis“. Mit dem Untertitel „Die Tod-Verweigerung“ entstand sie 1943/44 im KZ Theresienstadt. Aber die dort geplante Premiere fiel aus, denn der jüdische Komponist und sein Co-Texter Peter Kien wurden nach Auschwitz deportiert und sofort ermordet. Kaum einem Musikwerk sind die monströsen Entstehungsbedingungen so tief eingeschrieben, und nur mit sehr viel Glück konnte das leuchtende Fanal gegen Totalitarismus und für den unbändigen Überlebenswillen der Kunst gerettet werden. Doch erst ab 1975 kam die Oper in diversen rekonstruierten Fassungen in die Theater. 2023 wurde sie zum 125. Geburtstag Viktor Ullmanns (1898–1944) in einer neu erarbeiteten Version auf die Bühne des Saarbrücker „Theater im Viertel“ gebracht. Darin entrollt sich die märchenhaft-skurrile Handlung in Form einer fiktiven Klavierprobe:

Im Prolog stellt der Lautsprecher die Oper und ihre Charaktere vor. Harlekin, Urbild der Lebenskraft, und Tod, sein exaktes Gegenteil, sinnieren gemeinsam über eine trostlos gewordene Welt. Als der Trommler, Sprachrohr des Kaisers, den totalen „Krieg aller gegen alle“ ausruft, fühlt sich der Tod übergangen und verweigert fortan den Dienst. Kaiser Overall, hinter Mauern isoliert und nur über den Lautsprecher in Kontakt mit seiner Umgebung, erfährt von der ominösen neuen Krankheit, dass alle Soldaten und Verurteilten nicht mehr sterben können. In Panik, die Weltherrschaft zu verlieren, lässt er dies zunächst propagandistisch umdeuten als seine großherzige „Belohnung mit ewigem Leben“. Vergebens versuchen sich nun der Soldat und eine feindliche Soldatin namens Bubikopf auf dem Schlachtfeld zu erschießen, und plötzlich in Liebe einander zugetan, stellen sie trotz der heroischen Drohung des Trommlers den Kampf ein. Der Tod verkündet dem Kaiser, dass er erst wieder seines Amtes walten wird, wenn dieser ihm freiwillig folgt. Ein Schlusschoral mahnt: „Du sollst den großen Namen Tod nicht eitel beschwören!“

Den Tod permanent vor Augen, nützten Künstler in Theresienstadt die lebenserhaltende Chance, sich als Komponisten, Autoren, Musiker oder Sänger zu betätigen. Denn die NS-Herrschaft duldete die sog. „Freizeitgestaltung“ als Propagandalüge vor der Welt. Konzerte und Opern konnten einstudiert und aufgeführt werden, so auch mehrere Neukompositionen. Die eigenwillige Orchestrierung des „Kaiser von Atlantis“ ist dem begrenzten Instrumentarium vor Ort geschuldet. Umso mehr schöpfte der exzellente Schönberg- und Zemlinsky-Schüler aus seinem reichen Fundus an Klangfarben und Stilen, inklusive der Unterhaltungsmusik. Verbürgt hochkarätig besetzt, wäre das moderne Werk sicher ein Erfolg geworden.

Die Oper ist in diversen, auch aus vorauseilender Selbstzensur oft geänderten und teils widersprüchlichen Text- und Notenfragmenten überliefert. Deshalb fiel für die Saarbrücker Bühnenversion eine grundlegende ästhetische Entscheidung: Weil es eine finale Fassung in Theresienstadt nie gab, die Existenz eines Proben-Klavierauszugs aber bezeugt ist, sollte eine fiktive Klavierprobe der Oper zur Aufführung kommen. Von einer Inszenierung, die bloß vordergründig die KZ-Situation reflektiert, wurde jedoch abgesehen – sie würde der universalen Aussage des Stücks kaum gerecht. Als (Über)Lebenselixier seiner Autoren ragt es weit über seine Zeit hinaus, und es liegt nahe, dass sie damit ihre letztgültigsten Anliegen als Erbschaft übergaben.

Die Saarbrücker Aufführung wartete mit einer handverlesenen Mischung aus erfahrenen älteren sowie vielversprechenden jungen Künstlerinnen und Künstlern auf: Ramon Karolan (Kaiser Overall, Bariton), Sebastian Gros (Lautsprecher und Tod, Bass), Ralf Peter (Harlekin und Soldat, Tenor), Elizabeth Wiles (Bubikopf, Sopran), Astrid Hensler (Trommler, Mezzosopran) und Thomas Layes am Klavier. Die Bühnenbild-Zeichnungen wurden von Klaus Harth gefertigt, die künstlerischer Leitung hatte Ralf Peter.

foto: wonderland

 

 

 

 

 


fotos: wonderland

 

 

 

 

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